Erkenntnis

Nach nunmehr eineinhalb Jahren leben auf dem Boot ist für mich klar, daß ich nicht länger damit fortfahren möchte. Ich bin bereits auf der Suche nach einem Käufer für die Mephisto. Es hat sich bewahrheitet, was ich schon in der Planung durchaus einkalkuliert hatte. Es ist ein großer Unterschied, im Urlaub für ein oder zwei Wochen mit einer Crew unterwegs zu sein, um dann wieder nach Hause zu fahren oder eben dauerhaft auf einem Boot zu leben. Ich war 15 oder 16 Mal Mitsegeln, mit Skipper und anderen Seglern und immer war es für mich ein tolles Erlebnis, ein toller Urlaub, der die Sehnsucht nach dem Segelabenteuer anfachte. Die Einschränkungen, die das Bootsleben und das Zusammensein auf engstem Raum mit sich bringt, hatte ich dabei kaum wahrgenommen. Für die kurze Zeit störte die harte, enge Koje genausowenig wie der Mangel an Emails oder Nachrichten über Geschehnisse in der Welt. Es war einfach Sommer und man konnte das Meer, die Freiheit und den Spaß in der Gruppe genießen.

Das ist eines der Stichworte, „in der Gruppe“.
In den Jahren der Planung hatte ich immer gehofft eine Partnerin zu finden, die dieses Abenteuer mit mir erleben möchte. Leider war mir das nicht vergönnt und so machte ich mich alleine auf den Weg. Das Leben auf dem Boot, alleine, ist für mich nun der Hauptgrund, warum sich mein Traum nicht erfüllt hat. Im normalen Leben an Land, auch wenn man alleine lebt, hat man ständig Kontakte zu Mitmenschen, Bekannten, Nachbarn, Freunden. Ob es der Kegelabend mit ehemaligen Arbeitskollegen oder der Neujahrsempfang bei lieben Nachbarn ist, man ist im ständigen Kontakt zu Menschen, die einem lange bekannt und vertraut sind. Im normalen Leben nimmt man das als selbstverständlich hin und denkt viel zu wenig darüber nach wie wichtig solche Kontakte für ein zufriedenes Leben sind.
Auf einem Boot lebend fällt das vollständig weg. In Buchten vor Anker ist der Kontakt zu anderen sehr gering und geht gegen Null. Nur in Marinas und auch nur wenn man länger dort liegt, kann sich ein Kontakt zu anderen aufbauen. Aber es ist nun mal nicht sinnvoll mit dem Boot dauerhaft in der Marina zu liegen. Auch sind diese Kontakte nur kurz, oberflächlich und ständig wechselnd. Obwohl ich dachte alleine gut zurecht zu kommen, fehlen mir die sozialen Kontakte zu bekannten Menschen und auch die Aktivitäten, die dazu gehören. Erst jetzt wo diese Kontakte nicht mehr da sind, ist mir klar geworden, wie wichtig sie für mich waren.
Der zweite Grund, warum ich mich auf dem Boot nie zu Hause gefühlt habe, ist meine eigene mentale Unbeweglichkeit oder auch Bequemlichkeit. Ich bin viel stärker in meinen Gewohnheiten und meinem Komfortdenken gefangen, als mir das bewußt war. Ich vermisse die Annehmlichkeiten einer Wohnung ebenso wie den Platz um mich darin zu bewegen, insbesondere natürlich bei schlechtem Wetter oder wenn es kühl wird. Auf und im Boot herrscht quasi immer die gleiche Temperatur wie in der Umgebung, ein ständiger Wechsel. Jedes kleine Boot, das vorbeikommt, läßt das Zuhause wackeln und schwanken ohne Rücksicht darauf, was das vielleicht verursachen kann, z.B. beim Kochen. Jeder laute Motor von Fischern morgens um 5 Uhr reißt einem aus dem Schlaf, weil Geräusche ungedämpft ins Innere dringen. All das und noch andere Dinge, die den Lebenskomfort erheblich schmälern, sind mir mit der Zeit mehr und mehr aufgefallen und haben meinen Wunsch das alles hinter mir zu lassen immer stärker beeinflußt.

Ein weiterer Grund ist das Reisen selbst, das mir mit dem Boot inzwischen viel zu langsam und zu unflexibel vorkommt. Wenn ich nur daran denke, daß ich 6 Wochen lang auf Lanzarote und Madeira warten mußte, um wieder aufs Festland zu kommen, weil der Wind einfach nicht die Richtung wechseln wollte. Ein spontaner, längerer Ausflug ist kaum möglich, weil man ja erst einmal das Boot sicher unterbringen muß. Um mehr von einer Gegend oder einem Land sehen zu können, muß zunächst eine passende Marina gefunden werden, wo das Boot sicher zurückbleiben kann. Im Sommer kann so eine Übernachtung in der Marina dann mal eben 100 Euro kosten. So ein Boot kann auch wie ein Klotz am Bein sein. Mit dem Dinghi überall an Land gehen zu können, wie ich es mir vorgestellt hatte, hat sich als Wunschdenken erwiesen. Die Praxis hat mir gezeigt, daß das viel komplizierter werden kann. All das und mehr konnte ich nun ausgiebig erleben und ich habe für mich entschieden, daß ich das nicht mehr haben will. Ich habe mich darüber mit anderen Seglern ausgetauscht und Einer meinte: dich hat das Segelvirus eben nicht erfaßt, und damit hat er Recht. Aber es ist wie mit so vielem im Leben, man muß es eben erst einmal ausprobieren. Ich habe meinen Traum verwirklicht und festgestellt, daß es auf Dauer nichts für mich ist. Dabei gibt es allerdings nichts zu bedauern. Besser so, als es nicht zu wagen und in 10 Jahren darüber nachzudenken wie es hätte sein können. Jetzt weiß ich, daß es nichts für mich ist, kann das Kapitel abschließen und mich Plan B zuwenden.
Zunächst suche ich mir in Süd-Spanien eine Wohnung zur Miete, um die Mephisto leer räumen zu können und abzuwarten, daß ich in der Umgebung von Mannheim wieder eine Wohnung kaufen kann. Warum in Spanien? Dort werden die meisten Wohnungen möbliert vermietet und das zu einem Quadratmeterpreis von ca. 10 €. In Deutschland gibt es praktisch keine möblierten Wohnungen oder sie sind sehr teuer. Dazu kommt natürlich das Wetter, das Meer und meist sogar noch ein Pool. Da bietet sich Spanien einfach an und ich habe noch immer die Hoffnung mehr spanisch zu lernen als bisher mit der App. So werde ich vermutlich den nächsten Winter hier in Südspanien verbringen. Die Winter in Deutschland sind in jedem Fall nasser und kälter und weniger angenehm.

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